Zeitgenössische Ansicht von Alt-Bromberg.

Zeitgenössische Ansicht der Kirche zu Bromberg.

Einordnung des Probanden.

Zeitgenössischer Adressbucheintrag.

Emil Georg Carl Meyer (1864-1937)

Was wir sicher wissen

Emil Georg Carl Meyer wurde am 12. Januar 1864 in Bromberg geboren und am 28. März desselben Jahres in der evangelischen Kirche getauft. Er starb am 8. April 1937 in Berlin im Alter von 73 Jahren. Diese präzisen Daten verdanken wir den systematisch geführten Kirchenbüchern der preußischen Verwaltung, die für die städtische Bevölkerung deutlich zuverlässiger überliefert sind als für ländliche Gebiete.

Emil erlernte den Beruf des Maurers und heiratete Hulda Amalie Müller, die am 2. März 1867 ebenfalls in Bromberg geboren wurde. Beide waren evangelischen Glaubens. Hulda überlebte ihren Ehemann um acht Jahre und starb 1945 in Berlin.

Das Ehepaar hatte mindestens fünf Kinder: Arthur (geboren 1899), Karl (geboren 1901), Alma, Frieda und Grete. Arthur erlernte den Beruf des Tapezierers, Karl wurde Polsterer. Diese Berufswahl zeigt die Kontinuität handwerklicher Traditionen, wobei sich die Söhne auf verwandte Bereiche der Innenausstattung spezialisierten.

Die genealogische Sackgasse

Emil Meyer markiert eine typische Forschungsgrenze der Genealogie des 19. Jahrhunderts. Seine Abstammung lässt sich trotz relativ guter Quellenlage nicht weiter zurückverfolgen. Die verfügbaren Dokumente zeigen eine komplexe Familiensituation, die charakteristisch für die sozialen Verhältnisse der damaligen Arbeiterschaft war.

Als Vater wird Emil Georg Carl Steffen genannt, ein um 1828/29 geborener Arbeitsmann. Die Mutter könnte aus der Familie Meyer stammen, was Emils Nachnamen erklären würde. Diese Namensführung deutet auf uneheliche Geburt oder andere familienrechtliche Besonderheiten hin, die in der Arbeiterschaft häufig vorkamen. Formelle Eheschließungen wurden oft aus finanziellen Gründen aufgeschoben oder unterblieben ganz.

Die Geschwisterfolge ist uneinheitlich: Louise Auguste Meyer und Paul Carl Meyer tragen ebenfalls den Namen Meyer und stammen vermutlich aus derselben mütterlichen Linie. Auguste Dorothea Steffen hingegen wurde 1865 geboren und trägt den väterlichen Namen Steffen. Der Vater heiratete 1869 Louise Maria Meier - eine dritte Frau, die nicht die Mutter der bereits geborenen Kinder war.

Hindernisse der Rückwärtsforschung

Die Unmöglichkeit, Emil Meyers Abstammung weiter zu erforschen, liegt an mehreren strukturellen Problemen der Unterschichtengenealoggie. Das Haupthindernis ist die unklare Herkunft der Eltern. Sowohl der Vater Steffen als auch die vermutliche Mutter aus der Familie Meyer sind in Bromberg nicht als Einheimische dokumentiert. Sie dürften aus ländlichen Gebieten der Umgebung zugewandert sein.

Kirchenbücher kleinerer Dörfer im Raum Bromberg sind oft unvollständig überliefert oder schwer zugänglich. Die preußische Verwaltung erfasste zwar systematisch die städtische Bevölkerung, aber die ländliche Unterschicht blieb oft im Schatten der Dokumentation. Pastoren führten die Namen ärmerer Gemeindemitglieder weniger sorgfältig als die der begüterten Familien.

Ein weiteres Problem liegt in der sozialen Mobilität der Zeit. Junge Menschen verließen übervölkerte Dörfer, um in aufstrebenden Städten wie Bromberg Arbeit zu finden. Dabei verloren sich oft die Verbindungen zur Herkunftsregion. Die systematische Einwohnerregistrierung entwickelte sich erst in der Mitte des 19. Jahrhunderts vollständig - zu spät für Emil Meyers Elterngeneration.

Leben im preußischen Bromberg

Bromberg war zur Zeit von Emils Geburt eine aufstrebende Stadt im preußischen Teil der Provinz Posen. Nach 1815 preußisch geworden, entwickelte sich die Stadt zu einem wichtigen Verkehrsknotenpunkt. Die deutsche Bevölkerung bildete eine Minderheit neben der polnischen Mehrheit und einer bedeutenden jüdischen Gemeinde.

Als Maurer gehörte Emil zu den qualifizierten Handwerkern, die vom Bauboom der Stadt profitierten. Bromberg wurde nach preußischen Standards modernisiert mit neuen Verwaltungsgebäuden, Schulen und Wohnvierteln. Maurer standen gesellschaftlich zwischen ungelernten Arbeitern und etablierten Handwerksmeistern. Der Beruf war saisonabhängig und körperlich anspruchsvoll, bot aber stabilere Verdienstmöglichkeiten als Gelegenheitsarbeiten.

Migration nach Berlin

Zwischen Emils dokumentierter Zeit in Bromberg und seinem Tod 1937 erfolgte eine Übersiedlung nach Berlin. Diese Migration entsprach einem verbreiteten Muster: Berlin entwickelte sich nach 1871 zur rasant wachsenden Reichshauptstadt mit enormem Baubedarf. Für qualifizierte Handwerker bot die Metropole bessere Verdienstmöglichkeiten als Provinzstädte.

Berlin erlebte zwischen 1870 und 1914 ein außergewöhnliches Bevölkerungswachstum von 800.000 auf über zwei Millionen Einwohner. Ganze Stadtteile entstanden neu, was kontinuierlichen Bedarf an Maurern schuf. Die charakteristischen Berliner Mietskasernen wurden größtenteils in dieser Zeit errichtet.

Der genaue Zeitpunkt und die Umstände von Emils Umzug sind unbekannt. Hulda Amalie begleitete ihren Mann bei diesem Lebenswechsel. Als Hausfrau führte sie den Haushalt und erzog die fünf Kinder - eine typische Rollenverteilung der Zeit.

Generationenfolge und berufliche Entwicklung

Emil verkörpert den gesellschaftlichen Aufstieg über Generationen. Während sein Vater als ungelernter Arbeitsmann tätig war, erlernte Emil einen anerkannten Handwerksberuf. Seine Söhne Arthur und Karl führten diese Entwicklung fort, indem sie sich auf spezialisierte Bereiche konzentrierten. Tapezierer und Polsterer arbeiteten in der Innenausstattung und benötigten sowohl handwerkliches Geschick als auch gestalterisches Verständnis.

Diese berufliche Spezialisierung spiegelt die zunehmende Differenzierung des Handwerks wider. Während frühere Generationen oft verschiedene Tätigkeiten ausübten, entwickelten sich im späten 19. Jahrhundert deutlich abgegrenzte Berufszweige mit eigenen Ausbildungswegen.

Ein Leben im historischen Wandel

Emils Lebensspanne von 1864 bis 1937 umfasste grundlegende gesellschaftliche Veränderungen. Geboren zur Zeit des preußischen Konstitutionalismus, erlebte er als Kind die deutsche Einigung 1871. Als junger Handwerker war er Zeitzeuge der industriellen Entwicklung und des städtischen Wachstums der Gründerzeit.

Der Erste Weltkrieg traf Emil im Alter von 50 bis 54 Jahren. Die Kriegszeit brachte Materialknappheit und veränderte Arbeitsbedingungen mit sich. Die Nachkriegsjahre mit ihrer wirtschaftlichen Instabilität stellten Handwerker vor besondere Herausforderungen, da ihre Dienstleistungen von der allgemeinen Wirtschaftslage abhingen.

Emils Tod 1937 beendete ein Arbeitsleben, das die Transformation Deutschlands von einem agrarisch geprägten zu einem industrialisierten Land miterlebt hatte. Seine Frau Hulda überlebte ihn bis 1945 und erlebte damit noch die letzten Kriegsjahre und die unmittelbare Nachkriegszeit in Berlin.

Mögliche Forschungsansätze

Trotz der genealogischen Sackgasse bleiben einige Forschungsmöglichkeiten theoretisch offen. Kirchenbücher der Dörfer um Bromberg könnten Taufen von Personen namens Steffen oder Meyer aus der entsprechenden Zeit verzeichnen. Preußische Militärakten enthalten manchmal Angaben zur Herkunft von Rekruten. Gerichtsakten oder Polizeiregister könnten bei Rechtsstreitigkeiten oder Vergehen Hinweise auf Familienverhältnisse enthalten.

Für Emil selbst wären Berliner Adressbücher ab den 1880er Jahren eine wichtige Quelle. Diese erfassten systematisch auch Handwerker und könnten den Zeitpunkt der Übersiedlung eingrenzen. Zunftakten der Berliner Maurerinnung könnten Informationen über Ausbildung und berufliche Laufbahn enthalten. Das Landesarchiv Berlin bewahrt umfangreiche Bestände zu Handwerkern und Gewerbetreibenden.

Die DNA-Genealogie bietet zusätzliche Möglichkeiten, Verbindungen zu anderen Meyer- oder Steffen-Linien in der Region aufzudecken. Diese modernen Methoden können manchmal Verwandtschaftsverhältnisse klären, wo schriftliche Quellen versagen.

Bedeutung für die Familiengeschichte

Emil Meyer repräsentiert einen typischen Lebensweg der deutschen Handwerkerschaft im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert. Seine Geschichte zeigt den sozialen Aufstieg einer Familie über drei Generationen sowie die geografische Mobilität der Zeit. Der Weg von Bromberg nach Berlin spiegelt die Wanderungsbewegungen wider, die Berlin zur Metropole werden ließen.

Gleichzeitig markiert Emil eine unüberwindbare Forschungsgrenze. Die komplexen Familienverhältnisse seiner Herkunft, die unklare Namensführung und die fehlenden Dokumente über seine Eltern machen ihn zu einem klassischen "Brick Wall" der Genealogie. Dieser Befund ist charakteristisch für die Erforschung von Arbeiterfamilien des 19. Jahrhunderts und zeigt die Grenzen auch der preußischen Verwaltungsdokumentation auf.

 

Bei Hinweisen zu diesem Forschungszweig wenden Sie sich bitte an Markus Fudickar: forebears@protonmail.com

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