Interview mit dem letzten Eigentümer des Stammgutes „zu Fudickars“ Hans Walter Ditzhaus

Interviewerin: Dorothea E. Fudickar
Interviewter: Hans Walter Ditzhaus
Datum: 20. Januar 2003

D. E. Fudickar:
Wie lange haben Sie selbst und später mit Ihrer eigenen Familie auf dem Gut Fudickar gelebt?

H. W. Ditzhaus:
Ich bin 1934 geboren, meine Eltern sind Johannes Ditzhaus (geb. 1899) und Frieda Ditzhaus (geb. Einloos, 1897) und habe bis 1974 auf „zu Fudickars" gewohnt.

D. E. Fudickar:
Wie viele Zimmer umfasste der Hof und welche Nebengebäude gehörten dazu?

H. W. Ditzhaus:
Die Gebäude auf „zu Fudickars" waren aufgeteilt in:

Gutsherrenteil mit Wirtschaftsteil und Stallungen. Große Scheune (ca. 40 m x 60 m) mit einer Remise, in der Ackerwägen und Landmaschinen untergestellt waren. Im hinteren Teil war ein Schafstall mit ca. 200 Tieren, die nur von November bis März stationiert waren. Ein Gebäude (ca. 20 m x 40 m) wurde abgerissen und 1950 wieder größer aufgebaut, für Jungrindställe, Auto- und Schleppergaragen sowie einer Remise für kleinere Maschinen. Backhaus mit Backstube mit ganz altem Steinofen und einer Wohnung im Obergeschoss. Dieses Gebäude wurde 1950 abgerissen. Großer Hühnerstall für über 200 Tiere mit eingezäuntem Obstbaumpark. Garten von ca. 40 m x 80 m. Eine ca. 5.000 m² große Obstanlage, die eingezäunt für die Kälber genutzt wurde.

D. E. Fudickar:
Erzählen Sie uns etwas über das Wohnklima im Haus und dem dazugehörigen Steingaden, der einst als Wehrspeicher diente. Zu dem Gut gehörten einige Hektar Land. Wie viele waren es genau und wie sah die Vegetation aus?

H. W. Ditzhaus:
Das enorm große Haupthaus (Fachwerk mit dicken Steinmauern in Parterre) muss man in drei Abteilungen gliedern, die um den damaligen Steingaden herumgebaut waren. Über zwei Etagen und einem Speicher, der über das ganze Gebäude lief, erreichte man den Speicher über drei Treppen.

Gutsherrenteil mit Kellergewölben, die zum Steingaden gehörten (wurden zugeschüttet), und 8 Zimmern über Küche und Bad in zwei Etagen. Wirtschaftsteil mit sehr großer Küche, Vorratsräumen, Büro sowie zwei kleineren Wohnzimmern (jeweils ca. 25 m²). Abteilungen für das meiste Vieh (Pferde, Kühe, Kälber und Schweine). Die Abteilungen Pferde- und Schweineställe waren neueren Datums (erbaut um 1900/1910). Über diesen Stallungen waren die Wohnung für die Melkerfamilie, eine Speicherabteilung (Mühle und Kraftfutterbevorratung). Von hier aus ging eine Treppe zum Speicher. Noch ein Wort über die Abteilungen b) und c): Bis 1924 waren diese Teile für den Pächter und sein Personal vorgesehen. Ab 1924 hat mein Vater den Betrieb bewirtschaftet.

Das Gut hatte eine Größe von 82,5 Hektar. Davon 10 Hektar Wald und ein separater kleiner Hof von 15,5 Hektar (immer verpachtet). Durch die bergige Lage (230 m über NN) war immer ein starker Viehbestand auf dem Gut, da viele Flächen nur von Rindvieh genutzt werden konnten.

D. E. Fudickar:
Als Jäger hatten Sie Gelegenheit, auf Ihrem eigenen Grund und Boden auf die Jagd zu gehen. Wie sah der Wildbestand aus?

H. W. Ditzhaus:
Zu den 82,5 Hektar Land und Waldfläche waren schon durch meinen Großvater 300 Hektar hinzugepachtet worden. Es war ein Niederwildrevier mit etwas Rehwild. Im Jahr wurden 50 bis 80 Hasen und 100 bis 120 Fasane sowie jede Menge Kaninchen geschossen worden. Verkauft wurde davon nichts. Bis 1950 waren immer 10 bis 12 Personen auf dem Hof, die beköstigt wurden.

D. E. Fudickar:
Sie erwähnten, dass einige Gegenstände kurz vor dem Abriss dem Wülfrather Heimat-Museum zur Verfügung gestellt wurden. Welche Gegenstände waren das?

H. W. Ditzhaus:
Das Wülfrather Heimat-Museum hatte nach 1950 einige Eichenschränke, Dröppel-Minas, alte Bücher, in Schweinsleder gebundene Bibeln und altes Pferdegeschirr übernommen. Ab 1950 wurde der Personalstand von „zu Fudickars" stark reduziert, da eine Umstellung auf neuere Maschinen sowie der Betriebsstruktur erfolgt waren. Anmerkung: Ich hatte in ganz jungen Jahren den Betrieb übernommen, zuerst noch mit meiner Mutter zusammen bewirtschaftet.

D. E. Fudickar:
Man sagt, dass die Bewohner des Gutes Fudickar sehr fromme Leute waren. So kann man sich auch die Inschrift auf den Steinplatten erklären, die am Haus angebracht waren. Sie haben diese Platten am Kamin Ihres neuen Hauses angebracht. Was steht darauf und aus welchem Jahr stammen die Platten ungefähr? Aus welchem Material wurden sie gefertigt? Wurden im Hause Gebetskreise oder Bibelstunden abgehalten?

H. W. Ditzhaus:
Meine Großmutter (geb. Spieker, in 2. Ehe) und mein Vater waren sehr fromme Menschen (was ich von mir nicht behaupten kann). Meine Großmutter unterhielt eine Wochenbibelstunde in Velbert, die von Großmutter auch finanziell unterstützt wurde. Mein Vater war immer in der Gemeinde Wülfrath im Kirchenvorstand und spielte bei den Gottesdiensten die Orgel. Im Krieg hatte er oft den Gottesdienst geleitet und gepredigt.

D. E. Fudickar:
Wie können wir uns das Umland vorstellen? Gab es Hügel oder Bäche auf dem Grundstück?

H. W. Ditzhaus:
Wir wohnen hier im „Bergischen Land" mit stark kupiertem Gelände. Beispiel: Die Wasserversorgung für den ganzen Gutsbetrieb kam von einer Quelle, welche 1.000 m entfernt lag und durch den Höhenunterschied (ohne Pumpen) im freien Lauf durch eine Leitung einen 2.000-Liter-Wassertank auf dem Speicher füllte, von diesem Wassertank erfolgte die komplette Wasserversorgung des Betriebes.

D. E. Fudickar:
Sie wollten eigentlich Tierarzt werden. Leider waren die Umstände so, dass Ihnen dieser Berufswunsch verwehrt wurde. Bitte erzählen Sie uns über die schwierigen Umstände in Ihrer Jugend und wie Ihre Mutter und Schwester zunächst alleine den Hof bewirtschafteten.

H. W. Ditzhaus:
Mein Vater wurde 1945 nach Kriegsende durch eine plündernde Polenbande erschossen. Da ich erst 11 Jahre alt war, hatten meine Mutter, meine Schwester und ein Verwalter den Gutsbetrieb geleitet.

D. E. Fudickar:
Wie haben Sie den Hof bewirtschaftet? Gab es Vieh- und/oder Kornwirtschaft?

H. W. Ditzhaus:
Wie schon beschrieben, wurde auf dem Gut Viehwirtschaft und Ackerbau (starker Kartoffelanbau) betrieben.

D. E. Fudickar:
Wann wurde nach Ihren Schätzungen das Gut erbaut? Wann folgten bauliche Veränderungen bzw. Erweiterungen?

H. W. Ditzhaus:
Kann ich nicht beantworten, da die Aufzeichnungen des Klosters Werden bis ca. 800 n. Chr. zurück gehen und immer wieder Gebäudeteile angebaut wurden. Ich habe eine Jahreszahl von 1653 in Erinnerung, die an einem Eichenbalken in der Scheune angebracht war.

D. E. Fudickar:
Hätte man den Abriss durch die Rheinischen Kalksteinwerke verhindern können oder wäre das nicht möglich gewesen?

H. W. Ditzhaus:
War nicht möglich. Heute weist die Stelle des Gutes einen großen Steinbruch auf. Anmerkung: Das ganze Gutsgebäude mit den dicken Mauern und dem Fachwerk und die ständige Getreidebevorratung war eine Hochburg für Ratten. Erst nachdem man ein wirksameres Mittel entdeckt hat, konnte man die Biester reduzieren. Ich bin froh, dass ich heute in einem modernen Haus lebe, trotz meiner wunderbaren Jugend auf „zu Fudickars".

D. E. Fudickar:
Haben Sie als Kind beim Spielen auf dem Speicher oder im Keller seltsame Dinge entdeckt, wenn Sie sich zurückerinnern? Ist Ihnen damals etwas besonders aufgefallen?

H. W. Ditzhaus:
Sie können sich nicht vorstellen, was in so einem großen Haus alles zu finden war. Auf dem Speicher und in den später leer stehenden Zimmern (die komplett mit alten Möbeln eingerichtet waren) fanden sich alte Steinkrüge für ausgelassenes Schweinefett, in Schweinsleder gebundene Bücher und Bibeln, Pferdegeschirre mit Messingplatten und alter Hausrat, welcher aufbewahrt wurde. Anmerkung: Wenn man in den Büchern blätterte, welche die Jahres-Einnahmen und -Ausgaben festhielten (für jedes Jahr ein Buch), konnte man nicht aufhören zu lesen.

D. E. Fudickar:
In der heutigen Zeit können wir uns gar nicht mehr vorstellen, wie die Höfe in Verbindung mit dem Kloster Werden standen. Können Sie uns die Zusammenhänge näher erklären?

H. W. Ditzhaus:
Das Kloster Werden schickte Männer, die nicht gläubig genug waren und Vergehen begangen hatten, zur Besserung auf die Vorwerke, darunter „zu Fudickars" oder „Drinhaus", dieses Gut lag ca. 2.000 m weiter im Tal.

D. E. Fudickar:
Sie tragen den Familiennamen „Ditzhaus". Wie kam es zu dem Namenswechsel auf dem Gut Fudickar?

H. W. Ditzhaus:
Mein Großvater Ditzhaus war in 1. Ehe mit einer geborenen Fudickar verheiratet, welche bei der Geburt des ersten Kindes starb. 6 Wochen später starb auch das Kind. Die zweite Frau war eine geborene Spieker (ein uraltes Bauerngeschlecht aus Mettmann). Aus dieser Ehe war nur mein Vater hervorgegangen. Ich bin der letzte Ditzhaus, da meine beiden Töchter die Namen Ihres Ehemannes angenommen haben.

D. E. Fudickar:
Jetzt haben Sie Gelegenheit, uns etwas zu berichten, was Ihnen in diesem Zusammenhang noch wichtig ist.

H. W. Ditzhaus:
Ich hoffe, dass ich Ihnen alles beantworten konnte. Ich könnte (über „zu Fudickars") einen Roman schreiben!

D. E. Fudickar:
Sehr geehrter Herr Ditzhaus, wir danken Ihnen sehr für die Mühe, die Sie sich gemacht haben, um uns einen tieferen Einblick in das Leben auf dem Gut Fudickar zu geben, welcher letztendlich der Ursprung aller Fudickars ist. Wir wünschen Ihnen und Ihrer Familie Gottes reichen Segen!

 

 

 

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Inhalt des Interviews:

DITZHAUS, Hans Walter (* 1934, † 2010)

Eltern: Johannes DITZHAUS (* 1899, † 1945) ∞ Frieda geb. EINLOOS (* 1897)

Großeltern väterlicherseits: N.N. DITZHAUS ∞ 1) geb. FUDICKAR († bei Geburt), 1 Kind († nach 6 Wochen) ∞ 2) geb. SPIEKER, 1 Sohn: Johannes

Lage: Bergisches Land, 230 m ü. NN | Zuständig: Kloster Werden (ab ca. 800 n. Chr.)

Älteste bekannte Jahreszahlen: 1397 (Urkunde), 1653 (Inschrift Balken)

Fläche: 82,5 ha Eigentum (10 ha Wald, 15,5 ha verpachteter Hof) + 300 ha Jagdpacht = 382,5 ha gesamt

Bewirtschaftung: Pächter bis 1924 | Johannes Ditzhaus 1924–1945 | Witwe/Verwalter 1945–ca. 1950 | Hans Walter Ditzhaus ca. 1950–1974

Betrieb: Viehwirtschaft (Pferde, Kühe, Kälber, Schweine, 200 Schafe, 200+ Hühner) | Ackerbau (Kartoffeln) | Jagd (50–80 Hasen, 100–120 Fasane/Jahr) | Personal: 10–12 Personen bis 1950

Gebäude: Haupthaus (Fachwerk, Steingaden/Wehrspeicher, 3 Abteilungen: Gutsherrenteil mit 8 Zimmern, Wirtschaftsteil, Stallungen) | Scheune 40×60 m | Neubau 1950: 20×40 m | Backhaus (abgerissen 1950) | Hühnerstall | Garten 40×80 m | Obstanlage 5.000 m² | Wasserversorgung: Quelle (1 km entfernt), 2.000-l-Tank

Ende: Abriss nach 1974 (Rheinische Kalksteinwerke, ca. 1980, Grundmauern bis 1987), heute Steinbruch/Baggersee

Museum: Eichenschränke, Dröppel-Minas, alte Bücher, Bibeln in Schweinsleder, Pferdegeschirr an Wülfrather Heimat-Museum (nach 1950)

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