Heinrich Hermann Mittag - 
Leben in der Hochindustrialisierung

Gesicherte Quellenlage

Heinrich Hermann Mittag war von Beruf Monteur und zeigte die für Facharbeiter seiner Zeit charakteristische Wohnortmobilität. Bei der Geburt seiner Tochter Margarethe Elisabeth im Jahr 1890 lebte er am Triebischdamm Nr. 651 G8 in Meißen, zu einem anderen Zeitpunkt war er in der Wettinstr. 21 wohnhaft. Er war evangelisch-lutherisch und verheiratet mit Louise Laura Mittag, geborene Moritz. Am 4. August 1890 meldete er beim zuständigen Standesamt die Geburt seiner Tochter an, die am 2. August 1890 in der Familienwohnung zur Welt gekommen war.

Diese Geburtsanzeige ist ein wertvolles Dokument der damaligen Verwaltungspraxis. Die Tatsache, dass Heinrich Hermann persönlich die Anmeldung vornahm, entspricht den gesetzlichen Bestimmungen des 1876 eingeführten Personenstandsgesetzes im Deutschen Reich. Die Hausgeburt war 1890 noch der Normalfall, besonders in kleineren Städten wie Meißen, wo medizinische Infrastruktur begrenzt verfügbar war.

Berufliche Stellung in der Industriegesellschaft

Heinrich Hermanns Position als Monteur verortet ihn in der qualifizierten Facharbeiterschaft der entstehenden Industriegesellschaft. Um diesen Beruf richtig zu verstehen, ist es hilfreich, sich die Arbeitswelt des späten 19. Jahrhunderts wie eine Pyramide vorzustellen. An der Spitze standen die Fabrikbesitzer und Ingenieure, darunter die Maschinenmeister und Vorarbeiter, dann die Monteure und anderen spezialisierten Facharbeiter, und schließlich die ungelernten Arbeiter an der Basis.

Ein Monteur war ein hochqualifizierter Handwerker, der Maschinen zusammenbaute, installierte, wartete und reparierte. Diese Arbeit erforderte umfassendes technisches Verständnis, präzise handwerkliche Fertigkeiten und eine mehrjährige Ausbildung. Monteure mussten komplexe mechanische Zusammenhänge verstehen und eigenständig Problemlösungen entwickeln. Obwohl sie nicht die Führungsverantwortung eines Maschinenmeisters trugen, genossen sie deutlich höhere Löhne und größere Arbeitsplatzsicherheit als ungelernte Arbeiter.

Diese Berufsgruppe war charakteristisch für die neue Industriegesellschaft. Während traditionelle Handwerker in kleinen Werkstätten arbeiteten, operierten Monteure in den großen Fabriken und Industrieanlagen der Zeit. Sie bildeten das technische Rückgrat der industriellen Revolution und ermöglichten den Übergang von der handwerklichen zur maschinellen Produktion.

Wohnortmobilität als Zeichen der neuen Arbeiterschaft

Heinrich Hermanns dokumentierte Wohnortwechsel innerhalb Meißens - vom Triebischdamm zur Wettinstraße oder umgekehrt - veranschaulicht ein charakteristisches Merkmal der industriellen Facharbeiterschaft: die räumliche Mobilität. Diese Bewegungsfreiheit unterschied qualifizierte Arbeiter wie Monteure grundlegend von der traditionellen Handwerkerschaft, die meist lebenslang an einem Ort verwurzelt blieb.

Um die Bedeutung dieser Mobilität zu verstehen, müssen wir sie im Kontext der gesellschaftlichen Umbrüche des späten 19. Jahrhunderts betrachten. Die Industrialisierung schuf neue Berufsgruppen, die ihre Qualifikationen flexibel einsetzen konnten. Monteure arbeiteten nicht in einer einzigen Werkstatt, sondern überall dort, wo Maschinen installiert, gewartet oder repariert werden mussten. Diese berufliche Flexibilität ermöglichte es ihnen, bessere Arbeitsbedingungen zu suchen oder familiären Veränderungen durch Wohnortwechsel zu begegnen.

Die beiden dokumentierten Adressen - Triebischdamm Nr. 651 G8 (zur Zeit der Tochtergeburt 1890) und Wettinstr. 21 (zu einem anderen Zeitpunkt) - könnten verschiedene Lebensphasen repräsentieren. Der Triebischdamm, näher zur Elbe gelegen, war möglicherweise praktischer für einen jungen Familienvater. Die Wettinstraße mit ihrem prestigeträchtigeren Namen könnte einen späteren Wohnort bei verbesserter wirtschaftlicher Lage darstellen. Beide Adressen zeigen jedoch, dass Heinrich Hermann kontinuierlich in respektablen Wohnvierteln lebte und nicht in die typischen Arbeiterquartiere der Industriestädte gedrängt war.

Familie und gesellschaftliche Integration

Die Ehe mit Louise Laura Moritz zeigt Heinrich Hermanns Integration in die lokale Gesellschaft. Eheschließungen erfolgten in dieser Zeit meist innerhalb derselben sozialen Schicht, was darauf hindeutet, dass auch Louise Laura aus einem respektablen bürgerlichen oder facharbeiterlichen Milieu stammte. Die evangelisch-lutherische Konfession war in Sachsen dominant und verstärkte die gesellschaftliche Zugehörigkeit zur protestantischen Mehrheitskultur.

Die Hausgeburt der Tochter Margarethe Elisabeth war 1890 noch üblich, auch in gehobenen Arbeiterfamilien. Die ordnungsgemäße Anmeldung beim Standesamt innerhalb der gesetzlichen Frist zeigt Heinrich Hermanns Vertrautheit mit den bürokratischen Anforderungen der modernen Verwaltung. Dies war keineswegs selbstverständlich, da viele Menschen der Zeit noch wenig Erfahrung mit staatlichen Formalitäten hatten.

Leben im Deutschen Kaiserreich

Heinrich Hermanns Lebenszeit fiel in die Blütezeit des Deutschen Kaiserreichs. Die 1890er Jahre waren geprägt von wirtschaftlichem Optimismus, technischem Fortschritt und gesellschaftlicher Stabilität. Für qualifizierte Facharbeiter wie Heinrich Hermann eröffneten sich neue Aufstiegsmöglichkeiten, die es in der vorindustriellen Zeit nicht gegeben hatte.

Die Sozialgesetzgebung Bismarcks, die in den 1880er Jahren eingeführt wurde, bot erstmals systematischen Schutz vor den Risiken des Arbeitslebens. Krankenversicherung, Unfallversicherung und später die Invalidenversicherung schufen ein Sicherheitsnetz, das besonders der Facharbeiterschaft zugutekam. Heinrich Hermann profitierte als Maschinenmeister wahrscheinlich von diesen fortschrittlichen Sozialreformen.

Genealogische Bedeutung

Heinrich Hermann Mittag steht am dokumentierten Beginn der Mittag-Familiengeschichte und repräsentiert einen völlig anderen gesellschaftlichen Typus als die vermögenden Hausbesitzer der Mank-Linie. Während Carl Gottlob Mank zur traditionellen Bürgerschicht gehörte, verkörpert Heinrich Hermann die neue Schicht der industriellen Facharbeiterelite.

Diese unterschiedlichen sozialen Hintergründe der beiden Familienstämme spiegeln die Vielfalt der gesellschaftlichen Entwicklungen im 19. Jahrhundert wider. Während die einen ihren Status aus Kapitalbesitz und traditionellen Privilegien ableiteten, erlangten die anderen Ansehen durch technische Kompetenz und industrielle Qualifikation. Beide Wege führten zu gesellschaftlicher Respektabilität, aber auf grundlegend verschiedene Weise.

Forschungsansätze für weitere Genealogie

Die Suche nach Heinrich Hermanns Vorfahren eröffnet spezifische Möglichkeiten. Das Meißener Standesamt könnte seine Heiratsurkunde verwahren, die Aufschluss über seine Herkunft geben würde. Kirchenbücher der evangelisch-lutherischen Gemeinde könnten zusätzliche Familiendaten enthalten. Unternehmensarchive der Meißener Industriebetriebe könnten Personalakten oder Lohnlisten mit biografischen Details bewahren.

Besonders interessant wäre die Erforschung seiner beruflichen Laufbahn. Die Ausbildung zum Maschinenmeister erforderte eine mehrjährige Lehre und Gesellenzeit. Diese Ausbildungswege sind oft gut dokumentiert und könnten Hinweise auf seine geografische und soziale Herkunft liefern. Die Mobilität der Facharbeiter führte oft über große Entfernungen, weshalb Heinrich Hermann möglicherweise nicht aus der Meißener Region stammte.

Bedeutung für die Familiengeschichte

Heinrich Hermann Mittag verkörpert den Aufstieg der technischen Intelligenz in der deutschen Industriegesellschaft. Seine Geschichte zeigt, wie sich durch Qualifikation und Fleiß neue gesellschaftliche Positionen erobern ließen, die unabhängig von ererbtem Vermögen oder traditionellen Privilegien waren. Diese Entwicklung war charakteristisch für das späte 19. Jahrhundert und legte den Grundstein für die moderne Leistungsgesellschaft.

Die Tatsache, dass seine Nachkommen möglicherweise ähnliche technische oder administrative Laufbahnen einschlugen, würde die Kontinuität dieser neuen bürgerlichen Werte über Generationen hinweg demonstrieren. Heinrich Hermanns Leben steht damit exemplarisch für die gesellschaftlichen Transformationen der Industrialisierung und den Aufstieg einer neuen Mittelschicht.

Adressbucheintrag von Hermann Mittag, zu diesem Zeitpunkt wohnhaft in der Wettinstr. 21, Meißen.

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